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Evan Vosberg

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Persuasive Design für den Radverkehr

Persuasive Design ist zumeist nur aus dem Bereich des Webdesign bekannt. Dieses Design zeichnet sich insbesondere dadurch aus, dass der Nutzer nicht nur die reine Möglichkeit hat etwas zu tun sondern der Nutzer wird durch verschiede Elemente dazu bewegt ein konkretes Nutzungsziel zu erreichen. Ein kurzes Beispiel von einem Online-Speicher Anbieter, Nutzer können dort Dateien hochladen, diese per Email oder Link mit anderen teilen, weiterhin kann man Freunde zu dem Dienst einladen und vieles weitere tun. Es besteht die Möglichkeit dies alles zu nutzen, damit der Nutzer dies aber auch alles mindestens einmal nutzt um das Gesamtkonzept einfacher zu erfassen wird er mit zusätzlichem Speicherplatz belohnt, wenn er all diese Dinge mindestens nutzt. Ein ganz anderes Beispiel nicht aus dem Internet, das Urinal. Wie bringt man die Herren der Schöpfung dazu nicht wild umher zu pinkeln sondern in die Mitte des Urinals zu zielen, mit einem Fußballtor. Das Urinal biete zwar von Grund auf die Möglichkeit in die Mitte zu zielen, aber mit dem zusätzlichen Element des Fußballtores werden die Herren dazu bewegt dies auch zu tun. Zum Schluss noch ein weiteres Beispiel aus dem nicht virtuellen Leben, die Sitzbank vom Bahnhof, im Park oder wo auch immer diese aufgestellt wurde. Wie der Name schon sagt handelt es sich um eine Bank zum sitzen, jedoch kommt es vor allem im großstädtischen Bereich nicht selten vor dass die Nutzer darauf liegen und nicht sitzen. Sicher ist es dem eine oder anderen schon aufgefallen, dass immer häufiger Sitzbänke mit Armlehnen zum Einsatz kommen. Diese Sitzbänke zeichnen sich allerdings oft dadurch aus, dass nicht nur links und rechts eine Armlehne angebracht ist sondern noch weitere dazwischen. Auch in diesem Beispiel gilt die Möglichkeit zum sitzen ist grundsätzlich gegeben, aber erst die Armlehnen sorgen dafür, dass diese auch genau so genutzt werden.

Im Prinzip sind Amerikanische Vorstädte eine Musterbeispiel für Persuasive Design, allerdings nicht für den Radverkehr. Diese Vorstädte sind Wohnsiedlungen, in denen man nichts machen kann außer wohnen. Hier gibt es keine Einkaufsmöglichkeiten, nicht einmal so etwas wie einen Bäcker oder Kiosk. Weit und breit nichts als Wohnhäuser mit kleinen Vorgärten, zwar kann man sich innerhalb der Siedlung zu Fuß oder auf dem Rad bewegen aber weiter als zu einem Nachbarn innerhalb der Siedlung kommt man nicht. Alles was sonst zum Leben notwendige ist mehrere Kilometer entfernt, zu erreichen über große oft auch stark befahrene Straßen, hier gibt es keine Fußwege, keine Infrastruktur zum Rad fahren und keine öffentliche Verkehrsmittel. Wer hier ohne Auto lebt kommt nur unter großen Einschränkungen zurecht. Die Anwohner haben eben nicht einfach nur die schlichte Möglichkeit das Kfz als Verkehrsmittel zu nutzen, die Gesamtheit der infrastrukturellen Anbindung dieser Vororte ist einzig auf das Kfz ausgelegt, dies ist Persuasive Design für den Kfz-Verkehr.

Die Anwendung von Persuasive Design ist also recht vielfältig und lässt sich eben auch auf den Radverkehr anwenden. Fast überall auf der Welt besteht prinzipiell die Möglichkeit Rad zufahren, genutzt wird diese Möglichkeit jedoch in höchst unterschiedlicher Intensität. So gibt es Städte, wie Kopenhagen, in denen der der Anteil des Radverkehrs über 40% liegt und andere bei denen der Anteil unter 1% liegt. Um Umkreis von etwa fünf bis sieben Kilometern gilt das Fahrrad als das schnellste und effektivste Verkehrsmittel und dennoch machen Weltweit nur die wenigsten Menschen davon Gebrauch. Stattdessen stehen sie mit dem Auto im Stau oder quetschen sich für kurze Zeit in überfüllte U-Bahnen, Busse oder Straßenbahnen. Die reine Möglichkeit ein günstiges und schnelles Verkehrsmittel nutzen zu können scheint nicht auszureichen. Es müssen andere Element hinzukommen welche die Menschen dazu bringen von dieser Möglichkeit tatsächlich gebrauch zu machen.

Schon vor über zehn Jahren erstickte London im Verkehrschaos, eine der Reaktionen war die Einführung der Citymaut wonach sich den Kfz-Verkehr um etwa 15% reduzierte. Ein Teil derer die zuvor mit dem Kfz in die Innenstadt kamen, stiegen auf die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehr, der andere Teil allerdings stieg nicht auf andere Verkehrsmittel wie zum Beispiel das Fahrrad um sondern meidet einfach die Mautzone. Wie auch schon zuvor bestand weiterhin die Möglichkeit sich auf dem Fahrrad durch die Londoner Innenstadt zu bewegen, nur machte weiterhin kaum ein Londoner davon Gebrauch. Erst mit dem der Schaffung von Radverkehrsanlagen in den letzten Jahren hat es London geschafft einen wahrnehmbaren Radverkehrsanteil zu erreichen. Über die schlichte Möglichkeit hinaus mit dem Rad kostengünstig und schnell unterwegs zu sein spielt hier der sogenannte “Trust” eine entscheidende Rolle, das Vertrauen. Es ist das Vertrauen sich sicher im Straßenverkehr bewegen zu können. Wie sich in Deutschland zeigt schaffen Radverkehrsanlagen aber nicht automatisch zufriedene Nutzer. Schon seit über 20 Jahren herrscht ein Kampf gegen die Benutzungspflicht von Radwegen. Ein erster Sieg im Kampf gegen die Benutzungspflicht wurde 1997 mit der Änderung der StVO erreicht, seit dieser Änderung sind Radwege nicht mehr generell Benutzungspflichtig. Die Benutzungspflicht kann jedoch mittels Verkehrszeichen weiterhin angeordnet werden wenn eine besondere Gefahrenlage vorliegt. Trotz dieser Änderung hängen viele dieser Verkehrszeichen immer noch, auch wenn vermutlich keine besondere Gefahrenlage vorliegt. Seit 1997 werden regelmäßig Gerichte damit beschäftigt zu entscheiden ob Radwege benutzt werden müssen oder eben nicht. Betrachtet man die Radwege in Deutschland und vergleicht diese mit dem was in London in den letzten Jahren geschaffen hat wird schnell klar warum die Reaktionen so unterschiedlich darauf ausfallen. Neben dem “Trust” ist die Qualität ein weiteres wichtiges Kriterium für die Nutzung von Radverkehrsanlagen. Die ambitionierten Radfahrer legen einen viel höheren Wert auf die Qualität der Verkehrsanlage, ein großer Teil der durchschnittlichen oder eher ängstlichen Radfahrer legt Wert auf Sicherheit. Hier ist weniger die statistische Sicherheit gemeint als viel mehr das Gefühlt der Sicherheit, das Vertrauen darauf sich sicher im Verkehr bewegen zu können.

Persuasive Design für den Radverkehr setzt neben der Möglichkeit des Radfahrens das Vertrauen auf sicheres bewegen auf den Verkehrsanlagen sowie hohe Qualitätsstandards voraus. Mit diesen Voraussetzungen ist die größtmögliche Anzahl von Verkehrsteilnehmern auf den Rad zu erreichen und dies ganz ohne Zwang. Es ist nicht Notwendig Menschen zum Rad fahren zu zwingen, es ist nicht notwendig Menschen auf den Radweg zu zwingen und es ist nicht notwendig das Auto fahren zu verbieten, mit Persuasive Design bringt man die Menschen ganz freiwillig dazu auf das Rad umzusteigen.

Bei Persuasive Design geht es im Grunde darum das Verhalten durch Gestaltungselemente gezielt zu beeinflussen. Somit ist es nicht nur geeignet Menschen zum Umstieg auf das Rad zu bewegen, auch die Sicherheit dieser kann damit erhöht werden. Viel zu oft kann man Radfahrer beim fahren in der sogenannten Dooring-Zone beobachten, diese halten also den notwendigen Sicherheitsabstand zu parkenden Autos nicht ein. Vor kurzem berichtete der WDR von einem Schutzstreifen in einer Einbahnstraße in Soest welcher nach einem schweren Unfall vor 8 Jahren markiert wurde. Dieser verläuft in ausreichendem Abstand zu den parkenden Fahrzeugen und somit in der Mitte der verbleibenden Fahrbahn der Einbahnstraße. Das erfolgreiche Soester Modell bringt die Radfahrer dazu sich so zu verhalten wie sie es sowieso sollten aber es anderen Ortes viel zu oft nicht tun. Darüber hinaus signalisiert es Autofahrern dass dies ein korrektes verhalten der Radfahrer ist und keine vorsätzliche Provokation. Die Gestaltung dieser Fahrradstraße beeinflusst also die Verkehrsteilnehmer gezielt so, dass sich diese wie gewünscht korrekt verhalten. Es ist sicher ein unschöner Umstand, dass diese dass nicht auch ohne diese besondere Gestaltung tun, jedoch zeigt dieses Beispiel welche Stärke Persuasive Design im Bezug auf mehr Sicherheit für den Radverkehr hat. Umso erschreckender ist, wie der WDR berichtete, dass das Land Nordrhein-Westphalen diese Art der Straßenmarkierung für rechtswidrig hält und deren Entfernung fordert. Es bleibt zu hoffen, dass sich das Soester Modell in diesem Streit durchsetzen kann und im Sinne von intelligentem Persuasive Design weiterhin für mehr Sicherheit sorgt.

20. April 2016

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