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Evan Vosberg

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Kampf der Benutzungspflicht und die Folgen

Vor nun fast 20 Jahren wurde mit der StVO-Novelle 1997 die allgemeine Radwegbenutzungspflicht abgeschafft. Was hat es den Radfahrenden gebracht und welche Probleme hat diese Änderung mit sich gebracht, Zeit ein Resümee zu ziehen. Ein Handtuch breiter rot angemalter Fußweg für Radfahrende, in etwa so könnte man den Regelradweg vor über 20 Jahren beschreiben. Zudem meist versteckt hinter parkenden Autos und im Kreuzungsbereich schwer einsehbar. Die die damals schon das Rad als das Verkehrsmittel Ihrer Wahl sahen machten mobil und kämpften erfolgreich für ihr Recht auf der Fahrbahn fahren zu dürfen, nicht mehr versteckt als Schattendasein, sondern als “echte” Verkehrsteilnehmer. Seit vielen Jahren steigt der Anteil der Radfahrenden kontinuierlich, vor allem in Großstädten. Radfahrende sind jedoch eine sehr heterogene Gruppe von Verkehrsteilnehmern, sind Kfz zumeist mit nur sehr geringen Geschwindigkeitsunterschieden unterwegs, so beträgt der Unterschied bei den Radfahrenden schnell auch das 3-fache. Was hat also die Aufhebung der allgemeinen Radwegbenutzungspflicht für diese höchst heterogene Gruppe gebracht? Der ADFC Berlin zog 2014 eine positive Bilanz es sei ein erfolgreiches Konzept, bei gut 1000 km Radweg sind nur noch ca. 100 km benutztungspflichtig, die Zahl der tödlichen habe man erheblich reduzieren können. Der ADFC NRW zitiert die BASt-Studie und kommt zu dem Ergebnis dass bei vorhanden sein einer Radverkehrsanlage ohne Benutzungspflicht gerade einmal 4% die Fahrbahn benutzen und etwa 2% trotz Benutzungspflicht. Demnach nutzt nur eine sehr kleine Gruppe unter den Radfahrenden die Möglichkeit auf der Fahrbahn zu fahren und kommt in den Genuss der propagierten Vorteile. Auch wenn die Studie der BASt nicht darauf eingeht, wer von den Radfahrenden die Fahrbahnnutzer sind fällt es nicht schwer diese einzugrenzen. Es sind zumeist die etwas schnelleren und viel fahrenden, die die sich schon damals gegen die Benutzungspflicht engagierten und die die es noch heute tun. Was jedoch auffällt ist eine Diskrepanz zwischen den Aussagen der ADFC Landesverbände, wenn auf Grund der Aufhebung der allgemeinen Benutzungspflicht der Anteil der Fahrbahnnutzer um nur 2 Prozentpunkte angestiegen ist, muss die Frage erlaubt sein wie daraus eine erhebliche Reduzierung von tödlichen Unfällen resultieren kann.

Natürlich ist in den fast 20 Jahren ohne allgemeine Radwegbenutzungspflicht die Entwicklung der Infrastruktur nicht stehen geblieben. Insbesondere neue geschaffene Radverkehrsanlagen zeichnen sich durch bessere Sichtverhältnisse aus, auch fallen diese meist deutlich breiter als vor 20 oder 30 Jahren aus. Radfurten in Kreuzungsbereichen verdeutlichen das mit Radfahrenden zu rechnen ist. Auch der Anteil des Radverkehrs am Gesamtverkehr, insbesondere in Großstädten, ist gestiegen. Es gilt je mehr Rad fahren desto sicherer ist das Rad fahren für den einzelnen, denn je öfter Radfahrende im Verkehr angetroffen werden desto mehr rechnen andere Verkehrsteilnehmer mit ihnen. Für die heute bessere Bilanz der Radverkehrsunfälle sind also viele Faktoren verantwortlich, die Aufhebung der Benutzungspflicht dürfte dabei jedoch eine untergeordnete Rolle spielen.

Trotz zahlreicher Verbesserungen der Infrastruktur gibt es sie noch die viel zu schmalen rot angemalten Gehwege, genannt Radweg, an denen der Zahn der Zeit nagt. Immer wieder ärgern sich Radfahrende dass diese Radwege nicht modernisiert oder gar instand gehalten werden. Genau hier kommt die die Gesetzesnovelle von 1997 zum tragen, denn zumeist sind diese schmalen und verwahrlosten Radwege nicht mehr benutzungspflichtig. Man kann also auf der Fahrbahn im Mischverkehr mit den Kfz fahren, dennoch machen die wenigsten von dieser Möglichkeit gebrauch. Die zuständigen Verwaltungen stehen nun in dem Dilemma, dass Verkehrsanlagen und Verkehrszeichen nur bei entsprechendem Bedarf angeordnet bzw. geschaffen werden dürfen. Insbesondere das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes 2011 legte dies Messlatte für die Benutzungspflicht noch einmal höher, diese anzuordnen setzt voraus, dass die Benutzung der Fahrbahn das allgemeine Risiko der Verkehrsteilnahme deutlich übersteigt. Das Urteil bezieht sich zwar auf die Benutzungspflicht dennoch hat es Auswirkungen auf den Bau von Radwegen. Wie soll denn eine Verwaltung die ja auch zu sparen angehalten ist die Instandhaltung oder den Ausbau von Radwegen begründen, wenn eine Prüfung ergibt, das die Benutzung der Fahrbahn das Allgemeinrisiko nicht deutlich übersteigt. Im Ergebnis verwahrlosen nach und nach Radwege bis diese verschwinden und wenn überhaupt durch billigere Schutzstreifen ersetzt werden, die dann mit Vorliebe aber verbotener Weise von Kfz zum kurzen parken oder Be- und Entladen genutzt werden.

Die Verlierer der nun geltenden Regelung zur Benutzungspflicht von Radverkehrsanlagen sind die vielen Radfahrenden da draußen, die sich bessere und geschütze Radwege wünschen. Auf der Gewinnerseite stehen eine paar wenige Radfahrer die dann täglich den Kampf auf der Fahrbahn mit den Kfz austragen. Ein Schritt zurück zur allgemeinen Benutzungspflicht wäre dennoch nicht förderlich, würde es doch den Verwaltungen wieder die Möglichkeit geben völlig unzureichende Radwege zu schaffen, die dann alle benutzen müsste. Der bessere Weg wäre es noch einen Schritt weiter zugehen und die Benutzungspflicht ganz aufzuheben und damit auch den Bau von Radwegen von der Risikobewertung der Verkehrsteilnahme zu trennen. So könnten Radwege instand gehalten oder auch geschaffen werden ohne nachweisen zu müssen, dass ein erhebliches Risiko beim befahren der Fahrbahn bestünde. Darüber hinaus würde auch die Qualität deutlich steigen, denn wenn der Verwaltung wirklich etwas daran liegt dass Radwege auch von den 4% Fahrbahnnutzern befahren werden, ist sicheres Rad fahren auch bei höheren Geschwindigkeiten, ausreichende Breite zum sicheren überholen unter Radfahrenden und sichere Gestaltung von Kreuzungen unumgänglich.

Zum Abschluss noch etwas in persönlicher Sache, ich selbst gehöre zwar zu den 4% die oft die Fahrbahn trotz vorhanden Radweges nutzen, nichtsdestotrotz bin ich es leid täglich den Kampf um diese Fläche mit den Kfz austragen zu müssen. Es wäre schön wenn Radwege endlich das Qualitätsniveau von Fahrbahnen erreichen und ein zügiges aber dennoch entspanntes Rad fahren ermöglichen würden.

4. Mai 2016

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