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Evan Vosberg

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Unterwegs mit der Fahrradstaffel der Polizei Berlin

Vor einigen Tagen durfte ich die Polizisten der Fahrradstaffel in Berlin auf Streife begleiten und mir selbst einen Eindruck von deren Arbeit verschaffen, aber zunächst ein paar Fakten zur Fahrradstaffel. In Berlin Mitte gibt es sie seit 2014 und ist als Projekt vorerst auf 3 Jahre befristet, sie besteht aus 15 Polizeibeamten und 5 Polizeibeamtinnen. Die Fahrradstaffel ist in der Direktion 3 Abschnitt 34 FaSta stationiert, diese Dienststelle verfügt über einen Abstellraum für die Diensträder und wurde eigens mit Duschen für der körperlich aktiveren Dienst ausgestattet. Bis auf diese beiden Besonderheiten handelt es sich um eine ganz normal Dienststelle der Berliner Polizei.

Ich wurde kurz eingewiesen bevor ich mit zwei Beamten auf Streifen gehen durfte, mir ist es nämlich nicht erlaubt den Beamten zu folgen wenn diese bei rot fahren. Direkt nach dem verlassen der Dienststelle folgte den erste Stop, wir waren also noch nicht weit gekommen und schon bekamen eine Reihe von Gehwegparkern ihr Knöllchen. Ist vielleicht nicht die beste Idee sein Kfz um die Ecke der Polizeidienststelle auf dem Gehweg zu parken, insbesondere wenn dazu noch der Radfahrstreifen zuvor überfahren werden musste. Die Fahrradstaffel ist eben nicht wie viele glauben nur für die Radfahrenden zuständig, ihre Zuständigkeit betrifft den gesamten Straßenverkehr genau wie bei ihren Kollegen die mit dem Auto unterwegs sind. Auffallend ist, dass sie auf dem Fahrrad einen Blick für die “kleinen” Dinge schon in vorbeifahren haben, fehlende Umweltplakette, parken auf dem Schwerbehindertenparkplatz ohne Ausweis oder Abgelaufene Kurzzeitkennzeichen um nur ein paar zu nennen. Viele dieser Delikte können ihre Kollegen im vorbeifahren mit dem Auto nicht erfassen, mit dem Fahrrad aber ist es gar kein Problem. Es war noch recht früh am Morgen und wirbezogen mittlerweile an den großen Kreuzungen um den Alexanderplatz Stellung und beobachteten das Verkehrsgeschehen. Es war “Rush Hour” hier regierte gerade das Chaos und nicht mehr die StVO. Radfahrende schossen im Pulk auf dem Gehweg um die Ecke, mit dem Motorroller ging es auf dem Radweg mal schnell am Stau vorbei, Fußgänger rannten bei rot noch schnell rüber um die Tram zu schaffen, Autofahrende befuhren die Kreuzung ohne sie räumen zu können, die nächsten bekamen grün konnten die Kreuzung aber nicht mehr befahren und der Radverkehr schlängelte sich im Zickzack durch die Blechschlangen. Wo sollt man denn hier anfangen um für Ordnung zu sorgen? Für die Rad- und Motorrollerfahrenden gab es kurz mündliche Ermahnungen, die Kfz-Führenden zu erreichen war da schon deutlich schwieriger. Ein paar traf es dann aber doch, nämlich diejenigen die aus zweiter Reihe über der Radfahrstreifen hinweg abbogen und damit nicht nur die Radfahrenden gefährdeten sondern auch auch regelmäßig fast mit den regulär abbiegenden zusammenstießen. Nur eine Kreuzung weiter konnte man sehen wie der Radverkehr im Pulk reihenweise bei rot rüber rauschte. Wer hatte sich auch diese Ampelschaltung ausgedacht, bei der der querende Fußverkehr rot hat, der linksabbiegende Kfz-Verkehr grün hat, der linksabbiegende Radverkehr zwar auch grün hat aber nicht fahren kann weil er kurz davor gemeinsam mit dem geradeaus fahrenden Kfz-Verkehr an der roten Ampel steht. Um dies zu ahnden war diesmal keine Zeit, um all dem Geschehen dort an diesem Morgen Herr werden zu können hätte man gefühlt eine Hundertschaft von Verkehrspolizisten benötigt. Anderen Ortes wie z.B. in der Bernauer Straße nehmen sich die Beamten aber des öfteren Zeit Radfahrende, die mit hoher Geschwindigkeit den Berg herunter kommen und dann bei rot über die Kreuzung rasen, herauszuziehen. Bei der weiteren Fahrt durch Mitte, ich bin hier nicht so oft unterwegs, cel auf dass es hier zwar wie überall sonst auch einiges an Lieferverkehr gibt, dieser aber mehrheitlich nicht auf den Radfahr- oder Schutzstreifen stand. Dies ist ein Langzeiterfolg der Fahrradstaffel, denn sie hat über einen langen Zeitraum mit viel Aufklärungsarbeit, Ermahnungen aber auch mit Verwarngeldern bei den hier oft ausliefernden ein Umdenken erwirkt. Was mit einer Aktionswoche gegen Falschparken kaum zu schaffen sein dürfte ist hier mit dem Projekt der Fahrradstaffel gelungen. Nichtsdestotrotz fanden wir an dem Morgen immer noch vereinzelt Falschparker auf der Radverkehrsinfrastruktur. Auch Handy-Sünder_innen sowohl im Auto als auch auf dem Rad werden von der Fahrradstaffel ins Visier genommen. Man mag sich vielleicht fragen wie man mit dem Fahrrad ein Auto stoppt, aber auf Grund des vielen Staus ist für die Ertappten im Auto eine Flucht kaum möglich. Zwischen den vielen Stops auf ihrem täglichen Weg durch Mitte legen sie knapp 25 km auf dem Fahrrad zurück. Das scheint nicht sonderlich viel, jedoch ist Rad fahren nicht Hauptaufgabe, die Beamten und Beamtinnen der Fahrradstaffel nehmen ihr Dienstpflichten genauso wahr wie ihre Kollegen und Kolleginnen mit dem feinen Unterschied ein anderes Dienstfahrzeug zu haben.

Kommen wir zu den Statistiken, wie schon oft zu lesen war wurde ja schon im ersten Projektjahr viel mehr Geld durch Verwarn- und Bußgelder von Radfahrenden als von Kfz-Führenden eingenommen. Aber ist dies ein Wunder? Bei der Betrachtung des Bußgeldkataloges wird schnell klar, auf einen Rotlichtverstoß mit dem Rad (~ 80 – 120 €) müssen schon einige Falschparker (~15 €) oder falsch abbiegende (~ 10 €) zusammenkommen. Würde man einen Blick auf die absolute Anzahl der Verstöße nach Verkehrsteilnehmer schauen so lägen die von Rad und Kfz ganz nah beieinander. Auch der Ermessensspielraum spielt hier eine entscheidende Rolle, denn für Bußgelder, sprich oberhalb von 35 €, gibt es eigentlich keinen Ermessensspielraum und was das dann für den Rotlichtverstoß im Vergleich zum parken auf Radweg bedeutet ist klar. Auch muss man sagen Mitte ist eben nicht Kreuzberg oder Neuköln, völlig marode oder komplett fehlende Infrastruktur für den Radverkehr kommt hier in deutlich geringerem Maße als anderen Ortes vor. So ist es nicht verwunderlich, dass nicht so viele besonders für Radfahrende gefährliche Stellen gemeldet wurden. Zu berücksichtige ist auch, dass Meldungen über temporäre Baustellenführungen in dieser Statistik gar nicht mit auftauchen. Wie sich zeigt ist es sehr schwierig die statistischen Zahlen auszuwerten und Schlüsse daraus zu ziehen, ich erinnere mich dabei gern an meinen Mathematiklehrer welcher sagte: “Ich muss die Statistik nicht fälschen sondern nur die mir passenden Zahlen heraus picken.”.

Alles in allem denke ich, die Fahrradstaffel leistet ein sehr wichtigen Beitrag zur Sicherheit auf den Straßen in Berlin Mitte. Es bleibt zu hoffen dass das Projekt Fahrradstaffel nach dem Ablauf im Juni 2017 in ein dauerhaftes bestehen übergeht oder die Forderung des Volksentscheid Fahrrad nach Fahrradstaffeln in allen Bezirken umgesetzt wird. Dass es an willigen Beamten und Beamtinnen nicht mangelt dessen bin ich mir sicher, denn schon für das dreijährige Projekt gab es weit mehr Bewerber_innen als die 20 verfügbaren Stellen.

Danke für die gegebene Möglichkeit eines direkten Einblickes in die Arbeit der Fahrradstaffel in Berlin Mitte.

29. Mai 2016

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